Kurts 1662 Tage

– ein Tagebuch aus dem 1. Weltkrieg

Ein schöner Sommersonntag hat begonnen. Verheißungsvoll steigt die Sonne am fernen Horizont empor, als wir im Alten Lager zu Jüterbog, wo wir zum großen Exerzieren und Schießen weilen, geweckt werden. Hurtig schlüpft jeder in die am Abend bereitgelegten Kleidungsstücke der 2. Garnitur, denn die Kompagnie soll heute geschlossen nach der Reichshauptstadt geführt, werden. Jeder freut sich darauf und bald marschieren wir unter dem Klange froher Soldatenlieder nach dem Bahnhofe zu Jüterbog, von wo aus wir im Zuge der Militäreisenbahner nach Berlin Schöneberg fahren. In kleinen Abteilungen verstreuen wir uns alsbald in dem Verkehr der Riesenstadt, um deren Schönheiten und große Unternehmungen deutschen Geistes kennen zu lernen. Bei all dem Schauen neuer Dinge, machten wir aber noch eine andere Erfahrung war doch der politische Himmel, Europas nicht so klar, wie der des heutigen Sonntages, die vor 4 Wochen erfolgte Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers von Österreich und seiner Gemahlin in Sarajevo hatte ernste, Verwickelungen zwischen Österreich Ungarn und Serbien zur Folge, welche den Krieg zwischen diesen beiden Staaten unvermeidlich erscheinen lassen. Es hat aber auch den Anschein, als ob Russland daß kleine Serbien mit Waffengewalt unterstützen will. Aus diesen Gründen herrscht in der Reichshauptstadt eine aufgeregte Stimmung, welche sich am Abend vorher in einer Ansammlung Berliner Studenten vor der serbischen Gesandtschaft Luft gemacht hatte. Aus dieser Stimmung erklärten wir uns auch die an verschiedene Kameraden gerichteten Fragen, welche verrieten daß man uns für bereits eingezogene Reserven hielt. Mittags brachte uns die Untergrundbahn nach Charlottenburg, wo wir das Mausoleum Kaiser Wilhelm I und der Königin Louise besuchten und als dann der Einladung der Kaiserin Elisabeth Grenadiere, Folge leisteten und uns vorzüglich bewirten ließen. Nach dem Mittagessen, welches wir im besten Hotel nicht besser erhalten konnten spielte uns zu Ehren die Bataillions Kapelle recht schöne Weisen auf dem Kasernenhofe und im Speisesaal, Nach herzlicher Verabschiedung von unseren liebenswürdigen Gastgebern fuhren wir zur Eisenbahn nach dem nahen Potsdam, wo wir dem herrlichen Schlosse Friedrichs des Großen Sancoussi einen Besuch abstatteten und dann durch das nahe Neue Palais wo der Kaiser von seiner unterbrochenen Nordlandreise zurückerwartet wurde nach Wildbad gingen, von wo aus wir nach dem Übungsplatze zurückkehrten.

Eine Antwort zu „Sonntag 26. Juli 1914”.

  1. […] einem Jahr am 26. Juli 1914 schrieb Kurt seinen ersten Tagebucheintrag. In diesen ersten 12 Monaten seines Tagebuches hat Kurt […]

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