Kurts 1662 Tage

– ein Tagebuch aus dem 1. Weltkrieg

Etwa ½ 1 Uhr verließen wir beim heftigsten Regenwetter unseren Halteplatz am Zollhaus und gelangten durch St. Georges und Landange nach Neufmoulins. Dort kamen wir morgens 5 Uhr an und suchten uns ein Unterkommen, denn trotz Mantel und
umgehängter Zeltbahn waren wir völlig durchnässt. Das Wasser war von der Zeltbahn in die Stiefelschäfte gelaufen, sodaß man mit den Füßen buchstäblich im Wasser stand. Die Leute mußten gleich Feuer machen und in der erwärmen Küche, wechselten wir
unsere Leibwäsche und Fußbekleidung während alles andere einigermaßen trocknete. Ich zog es vor, überhaupt nicht zu schlafen, sondern blieb am warmen Ofen sitzen und ließ mir 1/2 Liter von den Wirtsleuten gekaufte, heiße Milch gut schmecken. Diese mundete zu einem Teil eingeweichten Feldzwiebacken, vorzüglich.

Doch kurz ist das Soldaten Ruh. Ich war noch beim Genuß meines Sonntagsmorgenfrühstücks, als der Befehl zur Abfahrt eintraf. Bei schönsten Wetter,
kamen wir nach Heming, wo die Komp. bereits Quartier bezogen hatte. Sie war heute neu aufgefüllt worden. Die 2. Komp wurde wieder getrennt. Zu uns kam:
1 Leutnant
2 Vizefeldwebel
3 Unteroffiziere
5 Gefreite
32 Mann
vom Ersatz-Batl des Res. Regt. 101 aus Zittau. Nachdem wir im Proviantamt Hemingen, welches ebenfalls geräumt, werden mußten, viel gefasst hatten ging es weiter auf schöner Landstraße nach Rixingen. Unterwegs sahen wir seit langer Zeit wieder einen Zug. Seit unserer Beförderung ins Feld vor 4 Wochen der erste. Es mutete einem an, als ob man ein aus Märchenerzählungen bekanntes Ungeheuer plötzlich sähe. In Rixingen bezogen wir Quartier. Ich lag mit Feldwebel Winkler zusammen in einer schönen Stube.
Die anderen Leute d. Kompanie in einer verlassenen Villa am Ortsausgang. Am Abend
unterhielten wir uns seit langem wieder einmal in Ruhe. Neben dem Austausch vergangener Kriegserlebnisse kam dies und jenes zur Sprache, Waren doch auch die Wirtsleute im Zimmer deren Sohn vor wenigen Tagen in Folge einer Verwundung im Lazarett gestorben war. In einer Hinterstube legten wir uns zur Ruh, der Feldwebel ins Bett, ich mich daneben auf das herausgenommene Unterbett.

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