Kurts 1662 Tage

– ein Tagebuch aus dem 1. Weltkrieg

Es war bereits um 70, als mich Unt. Scholz weckte und ich aus dem wärmenden Heu herausstieg. Friedrich war schon munter und dabei, Kaffee zu kochen. Ich beeilte mich, Feldzwiebacke zu verteilen, welche zum Kaffee recht gut munden. Außerdem gab ich an
einige Pferdeburschen Hafer aus.

Auf der anderen Seite der Straße hatte die Sanitätskompagnie ihr Lager aufgeschlagen. In ihrer Mitte erkannte ich einen alten Bekannten, einen Turner aus Briesnitz. In einem Wohnraum unseres Gehöftes lagen auf Stroh gebettet 10 verwundete Franzosen, welche einem wegen ihrer Hilflosigkeit leid tun konnten. Um 80 wurden die Pferde
eingespannt und nach 3/4 stündiger Fahrt erreichten wir Denipaire.

Nach dem Fassen wurde gefrühstückt, zur Feier des Tages Brot Wein und Schinken.
Alsdann wurde der Wagen gereinigt und aufgeräumt und zur Zubereitung des Mittagessens geschritten. Zum Glück erhielten wir von einer schlachtenden Kolonne frisches Fleisch, sodaß wir heute am Sedantage keine Konserven essen brauchten. Einige Eier und Kartoffeln hatten wir auch bald gefunden, sodaß unser Fleischer Friedrich ein feines Festessen herstellen konnte. Nach einer Suppe aus Eiergraupen gabs Rum[p]steak und Salzkartoffeln mit feiner Sauce. Danach wurden noch einige Feldbecher Wein geleert, dazu noch die Nachrichten von beständigen Siegen der deutschen Heere in Ost und West, welche uns die Feldpostbeamten übermittelten, so wurde der Sedantag alter Sitte gemäß ein rechter Festtag.

Weil keine Gelegenheit zur Vorausgebung von Geld vorhanden war, zahlte ich von den nur als Reserve mitgenommenen 20.- H[?] 15.-H[?] per Postanweisung ein.

Die Feldpost hatte ihr Heim in die Maire (Bürgermeisterei) verlegt. Dabei erhielt ich durch den Postsekretär, das erstemal Kenntnis von dem Bestehen der deutschen 42er Mörser. Im Schatten der Kastanien legten wir uns auf die Zeltbahnen, zu einem erquickenden Mittagsschläfchen.

Nachmittags erhielt ich das erstemal Post aus der Heimat und zwar Karten von Hellmuth und Max. Abends ging es im Dunkeln wieder nach La Voivre, wo die Kompanie wie gestern lag. Vor dem Unterkunftshause der Gefangen gesetzten Einwohner unterhielten wir uns mit dem wachthabenden Unteroffizier Richter aus Brand bei Freiberg. Die Gefangenen wurden zum Füttern und Melken ihres Viehes von
einem Wachmann begleitet, welcher bei dieser Gelegenheit von den gutmütig
gesinnten, meist ein Flasche Wein erhielt.

In heller Mondscheinnacht kamen wir zurück nach Denipaire, wo wir in der schon früher benutzten Scheune die Nacht verbrachten.

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