Kurts 1662 Tage

– ein Tagebuch aus dem 1. Weltkrieg

Morgens 2 Uhr Stiller Alarm. Wir rücken nach Barr, um Lebensmittel zu fassen, die Kompagnie rückt zum Sammeln der Div. nach Andlau. Auf dem Hochfeld hat sich ein Gefecht entwickelt, in unaufhörlichen Rollen ertönt der Mund der Geschütze. Nach dem Fassen fahren wir nach Mittelbergheim, wo wir von 10vorm. bis nachmittags liegen blieben. Die ganze Bagage der Division füllte die Landstraßen der herrlichen Landschaft. All die sonnigen Höhen versprachen eine reiche Weinernte, und die zahlreichen Obstbäume wollten schier brechen unter der der Last ihrer reifenden Früchte. Gern ließ ich mir von einem alten Mütterlein den Helm voll Pfirsiche füllen, erquickten sie doch heute ganz besonders. Verschwenderisch sandte die Sonne ihre Glut auf Mutter Erde. Ein alter Vater, dessen Söhne ebenfalls im Kampfe für unser deutsches Vaterland standen, schenkte uns mehrere Flaschen Wein, welcher uns erquickte. In einem nahen Gehöft requirierten wir Stroh für die Pferde. Nach langer Pause setzt sich unsere Lebensmittelwagenkolone in Bewegung. Die andere Bagage
soll die Nacht auf der Stelle verbringen. In endloser Fahrt gelangen wir durch Andlau
vorwärts in den Engpaß in den Vogesen bei Hohwald. Kurz vor diesem Kurort bleiben wir liegen, um nicht in den Feuerbereich der feindl. Artillerie zu kommen. Vor uns auf dem Hochfeld tobe der Kampf. Mit Eintritt der Dunkelheit wälzten, sich große Truppenmasse, an uns vorbei zurück dazwischen Wagen mit Verwundeten, Freund und
Feind. Uns ergriff eine große Bangigkeit, wussten wir doch nicht, was das alles bedeute. Die man befragte, waren alle in Entrüstung. Sie behaupteten viele unserer Verwundeten sein durch eigene Kameraden angeschossen worden. Namentlich die 103er sollten angeblich im Eifer des Gefechts auf eine eigene Abteilung gefeuert haben und erst durch deren Gesang der Wacht am Rhein, auf ihren Irrtum aufmerksam geworden sein
die einen sprachen von allgemeinem Rückzug, andere von Umgehung, sodaß die Stunden im bangen Harren vergingen. Wenn dann ab und zu wieder ein kleiner Trupp Gefangener vorüber kam, freute man sich. Als es bis nachts 1 Uhr nicht möglich war, das Batl. zu erreichen machten wir kehrt an dieser unheimlichen Stelle. Rechts rauschte
ein wilder Gebirgsbach lang der Straße, links stieg der Wald steil am Hang hinauf, sodaß es nur mit größter Mühe gelang, den Wagen zu drehen. In rascher Fahrt ging es im Dunkel der Nacht zurück.

Eine Antwort zu „Donnerstag 20. August 1914”.

  1. […] durch Zufall erfahre ich, daß in Hohwald, wo wir zuerst, die Schrecken des Krieges kennen lernten, jetzt Rekruten ausgebildet werden. Wer hätte das in der Nacht vom 20. zum 21. August 1914 gedacht? […]

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