Kurts 1662 Tage

– ein Tagebuch aus dem 1. Weltkrieg

Ausgeruht aber nicht ausgeschlafen von der Anstrengung der vergangenen Nacht erhoben wir uns am frühen Morgen vom Lager, um an die Erledigung der unser
harrenden, neuen Aufgaben zu gehen. Von den gestern eingetroffenen Mannschaften mußten, schon heute zahlreiche Wachen gestellt werden. So z. B. zur Sicherung der Bahnen, der Luftschiffhalle in Kaditz und anderer öffentlicher Institute durch das schnelle Einkleiden dieser Wachen, von denen die zum Bahnschutz bereits
Feldgrau abmarschierten, wurde der Kämmerunteroffizier mit einer Riesenarbeit überhäuft. Auch ich faßte mir neue Sachen und gab die von der 8. Kompagnie zurückgehaltenen an Sergant Eisler ab. Dieser hatte keine Kontrolle hierüber. Nachdem wir für die gestern quartierlos abgewiesenen eine Massenunterkunft in einem Gasthofe mit Saal erhalten hatten, wurden wir die Frager los, welche uns in Besorgnis, um
Schlafgelegenheit mit Fragen bestürmten. Andere welche in Geldnot waren
verlangten sofortige Auszahlung der Marschgebührnisse. Dieser Wunsch ging
nicht zu erfüllen. Außerdem wurden wir noch mit 100 anderen begründeten und unbegründeten Fragen beschäftigt, welche die Eingetroffenen beantwortet haben wollten, sodaß ich ebenso wie mein Feldwebel das Ende des Tages mit Freude begrüßte. Um 8 Uhr Abends machte ich mich auf den Weg in mein Quartier. Die Straßenbahn beförderte dem Beispiele anderer Städte folgend alle Militärpersonen kostenlos, sodaß ich bis Albertplatz fahren konnte, um dann nach der Holbeinstraße zu eilen. In der 9. Stunde gelangte ich in Nr. 10 an und klopfte, erstes Stockwerk rechts wohin meine Bescheinigung mich wies. Ich wurde aber abgewiesen, weil versehentlich unser Bat. Tambour, Gren. Schwarze dort eingezogen war. Kurz entschlossen klingelte ich an der eigentlich diesem zugewiesenen linken Wohnung. Ein junges etwa 16jähriges Mädchen öffnete nur und war hocherfreut, endlich auch einen Soldaten zu bekommen.
Sie war allein, ihre Verwandten, die eigentlichen Bewohner der Wohnung sollten jeden Augenblick heimkehren. In eifriger Besorgnis für mein Wohl erhielt ich Pantoffeln, so daß ich die Stiefel ausziehen konnte. Inzwischen trug mir meine kleine Gastgeberin ein
delikates Abendbrot auf, welches ich eben bei guter Unterhaltung verzehrte, als meine Quartierleute, ein junges Ehepaar heimkehrten. Die Frau hatte ihren Ehemann vom Geschäft abgeholt. Auch sie waren recht erfreut, ihren Soldaten, den sie gestern vergebens erwartet hatten doch noch erhalten zu haben. Wir machten uns bald recht gut bekannt studierten die neuesten Zeitungsberichte und hatten bei angenehmer, lustiger Unterhaltung das Fortschreiten der Zeit nicht bemerkt, sodaß wir uns zu sehr später Stunde zur Ruhe begaben. Ich wurde in ein kleines Zimmer mit einem wolligen Federbett gewiesen, in welchem ich bald in tiefen Schlaf versank.

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