
Vom frühen Morgen an wurden die Friedenssachen zur Abgabe fertig gemacht. Anschließen fand 2 Stunden Exerzieren in der Kriegsgarnitur zum Zwecke deren Anpassung statt. Ich mußte mit den designierten, Unteroffizieren in der Friedensgarnitur, als Gruppenführer mit antreten. Nach dem Mittagessen ging ich in die Kaserne der 177er welche heute abend um 6 Uhr die Garnison verlassen mußten. Ich wollte mich von Alfred verabschieden, doch er war zum Fassen der eisernen Portionen
nach dem Proviantamt gefahren. In der von ihm bewohnten Korporalschaftsstube lagen alle Tornister gepackt auf den Schränken. Alle Friedensausrüstungsstücke waren abgegeben der Korporalschaftsführer nahm, die letzten Stücke der Leibwäsche ab. Auf dem Hofe traf ich meinen in die Kantine kommandierten Schulfreund Kurt Wolf, welcher mir eine neue Depesche zeigte, wonach der Krieg unvermeidlich sei, weil das deutsche Ultimatum von Rußland noch unbeantwortet sei. Um 4 kam Alfred zu mir. Wir tranken, nochmals miteinander in der Kantine und verabschiedeten uns mit dem Wunsche auf ein gesundes Wiedersehen nach dem Kriege. Gott gebe es. Nachdem rückte ich mit der Korporalschaft zur Sachenabgabe. Diese ging sehr rasch von statten, wurde doch fast garnicht kontrolliert, welche Stücke fehlten, sodaß mancher der in dieser Hinsicht ein böses Gewissen hatte, erleichtert, von dannen ging. Beim Verlassen des Kammergebäudes hörte ich auf der Marienallen, die schönen, mir wohlbekannten Klänge der Kapelle, rückte doch das 1. Bataillon dieses Regiment unter dem Liede „Muß
i denn, muß i denn zum Städtle hinaus“ vorbei. In kriegsmäßiger Stärke gefolgt von der ganzen Bagage rückten die Kompagnien hinaus aus ihrer Garnison, wie werden sie einziehen? Die herbeigeeilten Angehörigen bildeten Spalier zu beiden Seiten der Straße. Sie wollten ihrem Gatten, ihrem Sohne, ihrem Bruder, oder sonst Geliebten noch einmal die Hand reichen, ihn noch einmal sehen bevor er hinaus zog in den Kampf für’s
Vaterland. Oft glückte es ihnen nicht,ein letztes Wort von ihm zu erhaschen weil sie ihn aus der Gleichheit der Uniformen nicht herausfanden. Wer den Gesuchten entdeckt hatte, lief schnell noch ein Stück nebenher, schnell noch eine Frage ein Ratschlag, dann der einzige, große Wunsch auf ein Wiedersehen, ein fester Händedruck, ein Kuß und der liebe Sohn, der liebe Gatte marschierte weiter. Alles war das Werk weniger Minuten. Die bange Frage: Wird dem Abschied auch ein Wiedersehen folgen? läßt manche Mutter weinend zusammenbrechen, manches Frauenherz, läßt sein Leid in Tränen fließen, ja selbst ergrauten Männern werden die Augen feucht. Doch alles dies hält den Ausmarsch nicht auf und bald ist auch der letzte Gepäckwagen vorüber und die Menge zerstreut sich. Am späten Abend bringt der in die Kassenverwaltung kommandierte Schürer in atemloser Haßt die Meldung: „Deutschland hat an Rußland den Krieg erklärt!“ Jubelnd wurde diese Nachricht im Empfang genommen, brachte sie doch
Erlösung von der Ungewißheit der letzten Wochen. Jetzt wußte jeder: Es wird mobil gemacht, wegen des ausgebrochenen Kriegers während vorher von wenigen doch noch auf eine friedliche Lösung gehofft wurde. Auch heute erschien hl. von Leuthe zum Verlesen und sagte, wir, sollten den uns aufgezwungenen Kampf so führen, wie unsere Großväter 1870/71. Auch sein Vater hatte damals mitgekämpft, als Deutscher. Sein französischer Name stammt aus dieser Zeit.
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